Menschenrechte im Schatten kolonialer Gewalt: Die Dekolonisierungskriege in Kenia und Algerien 1945-1962 (German Edition) by Fabian Klose

Menschenrechte im Schatten kolonialer Gewalt: Die Dekolonisierungskriege in Kenia und Algerien 1945-1962 (German Edition) by Fabian Klose

Autor:Fabian Klose [Klose, Fabian]
Die sprache: eng
Format: epub
veröffentlicht: 2013-04-10T09:51:00+00:00


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Großbritannien hatte bereits in früheren Kolonialkonflikten wie in Palästina und vor allem später in Malaya die entscheidende Bedeutung eines gut funktionierenden Nachrichtendiensts erkannt.314 In dem erwähnten einflussreichen Strategiepapier A Comparative Study of the Emergencies in Malaya and Kenya bezeichnete Colonel Forster die Identifizierung der „Terroristen" und die frühzeitige Erkennung ihrer Methoden als absolut essenziell für eine effektive Durchführung der eigenen Operationen.315 In Kenia hatte Gouverneur Baring bereits unmittelbar nach Erklärung des Notstands in seinem Brief an Kolonialminister Lyttelton auf die Notwendigkeit einer umfassenden Verbesserung des gesamten Geheimdienstsystems hingewiesen.316 Zur besseren Koordination zwischen den polizeilichen und militärischen Dienststellen gründete man daher im Februar 1953 als ersten Schritt das Kenya Intelligence Committee, und auch in der Folgezeit wurde die Tätigkeit der Nachrichtendienste vor allem unter dem neuen Oberbefehlshaber Erskine sukzessive ausgebaut und erweitert.317

Die schnelle und zielgerichtete Informationsgewinnung hatte dabei in den Augen der Verantwortlichen die höchste Priorität für eine erfolgreiche Kriegsführung.318 Durch intensive Verhöre von Verdächtigen und Gefangenen sollten MauMau-Mitglieder entlarvt und möglichst umfangreiche Erkenntnisse über die geheime Widerstandsbewegung gesammelt werden. Detaillierte Anweisungen, die den „informellen Wert" der Gefangenen betonten, regelten dabei den Ablauf dieser „Befragungen".319 Die Personen sollten unmittelbar nach ihrer Gefangennahme intensiv verhört werden, um die gewonnenen Erkenntnisse möglichst umgehend für eigene operationelle Ziele verwenden zu können. Auf die Art der Verhörmaßnahmen wurde nicht näher eingegangen, sondern nur darauf hingewiesen, dass der Einsatz von gewaltsamen Methoden erfahrungsgemäß nur selten genaue Informationen liefere.320

Einen Sonderfall bildeten hierbei Rebellen, die kapitulierten und sich freiwillig stellten. Nach Ansicht britischer Militärs habe die Erfahrung in Malaya gezeigt, dass gerade diese Personengruppe, falls von den Sicherheitskräften nicht misshandelt, eine sehr wertvolle Quelle sei.321 In diesen Fällen sei die psychologische Strategie des „softening-up" durch eine gute Behandlung wesentlich effektiver als rohe Gewalt. Das Oberkommando in Nairobi ordnete daher an, dass Mau-MauKämpfer, die sich freiwillig ergaben, nicht misshandelt werden sollten, sondern vielmehr, als Propagandawaffe eingesetzt, ihre ehemaligen Kameraden zur Aufgabe ermutigen sollten. Zentral zusammengefasst wurden diese Richtlinien in der Anweisung des War Council „The Treatment of Captured und Surrendered Terrorists" vom November 1955, in der noch einmal ausdrücklich die Bedeutung der intensiven Befragung und des „immediate operational use" der Gefangenen betont wurden.322

Durchgeführt wurden die Verhöre in der Regel von Mitgliedern der so genannten screening teams, die zu Beginn des Jahres 1953 aus den Reihen der Armee und der Polizei geschaffen wurden. Um an die gewünschten Informationen zu kommen, schreckten diese „Verhörspezialisten" bei der Wahl ihrer Mittel vor nichts zurück. Das screening war daher für die afrikanischen Verdächtigen meistens gleichbedeutend mit stundenlanger, oft tagelanger Folterung.323 Nach Darstellung eines Mitglieds des Kenya Regiment gab es verschiedene Methoden der „Spezialbehandlung", die nicht selten tödlich endete: „Bis ich ihm seine Eier abschnitt, hatte er keine Ohren mehr, und ein Augapfel, ich glaube der rechte, hing aus seiner Augenhöhle. Zu schade, er starb, bevor wir viel aus ihm herausbrachten."324

In einem Brief an seine ehemaligen Londoner Kollegen bezeichnete der Polizeiinspektor Tony Cross die Verhörmaßnahmen in seiner neuen Dienststelle, der Gekondi Polizeistation in Nyeri, als „Gestapo stuff".325 Auf der Suche nach



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